Nils Pickert: Lebenskompliz*innen – Liebe auf Augenhöhe

Beltz Verlag, 1. Auflage 2022, 19,00 EUR

Nils Pickert kommt in seinem Buch „Lebenskompliz*innen“ schnell auf den Punkt: die romantische Liebe, die in vielen Beziehungen Kompass ist, taugt nicht! Weil sie nicht hält, nie halten kann, was sie uns im biblischen Hohen Lied der Liebe – und nicht nur dort – verspricht.

Aber was stattdessen? Einfache Antworten, da ist der Autor ehrlich, gibt es nicht. „Liebe kann scheitern, sie ist dreckig, langweilig auch mal banal. Wichtig ist, dass wir uns nicht trotz dieser Dinge, sondern inmitten dieses Chaos lieben.“

Aus vielfältigen Perspektiven heraus nähert er sich einer gleichberechtigten Liebe auf Augenhöhe an. Dabei legt er die hinderlichen Faktoren wie Kindheitsprägungen, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, stereotype Rollenbilder etc. offen und entwirft mit den 4 Ws  – Wohlwollen, Wandelbarkeit, Wissbegier und Wahrhaftigkeit – ein Koordinatensystem, in dem sie gute Bedingungen hätte.

Statt fertiger Rezepte gibt es Orientierungsleitplanken. Wohl gewählt, greift Nils Pickert in die literarische Zitatenkiste, mutet einen Exkurs zu den Gesellschaftsvertragstheoretikern zu, setzt uns mit Shakespeare an den Pokertisch und gibt immer wieder unverhüllte Einblicke in die eigene gelebte Beziehung mit seiner Lebenskomplizin. Er spannt dabei den Bogen von der verheißungsvollen ersten Begegnung, über Beziehungsverträge, Intimität und Sexualität, Alltag in Elternschaft bis hin zu einem (möglichen) Ende: Was heißt Trennung im Konstrukt einer  gelebten Lebenskompliz*innenschaft?

Das Thema ist komplex, die Gedankengänge des Autors facettenreich, inspirierend, konfrontativ und manchmal auch irritierend sprunghaft, aber authentisch. Das hat mich beim Lesen bei der Stange gehalten, auch wenn ich zwischendurch mitunter widerständig ausgestiegen bin und meine mir ganz eigene Position im Dazwischen gesucht habe. Wenig überraschend, zwei Seiten weiter dann Nils an ähnlicher Stelle zu treffen – wir sind im Gespräch.

Auch wenn nicht alles neu ist, was in „Lebenskompliz*innen“ für die Liebe auf Augenhöhe im 21. Jahrhundert angeführt wird, in der Zusammenschau ist es ein empfehlenswertes Buch für alle, die in gleichberechtigten Beziehungen unterwegs sind und darin immer wieder an ihre Grenzen kommen. Und für all diejenigen, die sich dahin aufmachen und mit dem Autor klären wollen, „ob wir von der Liebe nicht mehr haben können, als sie uns im Augenblick zu geben in der Lage ist, wenn wir nicht länger von ihr erwarten, dass sie uns alles gibt.“

Sabine Salzmann